In Zeiten steigender Energiepreise und wachsenden Umweltbewusstseins gewinnt das Thema dezentrale Stromversorgung zunehmend an Bedeutung. Ein besonders innovatives Konzept in diesem Zusammenhang ist das Mieterstrommodell mit PV-Anlagen. Es ermöglicht auch Mietern, von lokal erzeugtem, erneuerbarem Strom zu profitieren. In diesem umfassenden Blogbeitrag beleuchten wir alle wichtigen Aspekte des Mieterstrommodells und erklären, wie es funktioniert, welche Vorteile es bietet und was bei der Umsetzung zu beachten ist.
Das Mieterstrommodell mit PV-Anlagen: Grundlagen und Funktionsweise
Definition und Prinzip
Das Mieterstrommodell basiert auf der Idee, den vor Ort erzeugten Strom aus PV-Anlagen direkt an die Mieter eines Mehrfamilienhauses zu liefern. Dadurch wird der lokal produzierte Solarstrom auch lokal verbraucht, was eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt.
Technische Umsetzung
Die zentrale Komponente des Mieterstrommodells ist die PV-Anlage auf dem Dach des Gebäudes. Der erzeugte Solarstrom wird über eine interne Verteilungsanlage direkt zu den Wohneinheiten geleitet. Um den Stromverbrauch präzise zu erfassen, kommen moderne Messkonzepte zum Einsatz, die wir später noch genauer betrachten werden.
Wirtschaftliche Aspekte
Vorteile des Mieterstrommodells mit PV-Anlagen
Für Mieter
- Kosteneinsparungen: Durch den günstigeren Strompreis können Mieter ihre Energiekosten deutlich senken.
- Ökologischer Fußabdruck: Die Nutzung von Solarstrom trägt zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei.
- Energieautarkie: Mieter werden unabhängiger von Schwankungen auf dem Energiemarkt.
Für Vermieter und Anlagenbetreiber
- Zusätzliche Einnahmequelle: Die Vermietung von Dachflächen für PV-Anlagen und der Verkauf von Strom generieren zusätzliche Einnahmen.
- Wertsteigerung der Immobilie: Gebäude mit Mieterstrommodellen sind oft attraktiver für potenzielle Mieter.
- Imagegewinn: Die Förderung erneuerbarer Energien verbessert das Image des Vermieters.
Für die Umwelt und das Energiesystem
- Reduzierung von CO2-Emissionen: Durch die Nutzung von Solarenergie werden fossile Brennstoffe eingespart.
- Entlastung des Stromnetzes: Lokale Erzeugung und Verbrauch reduzieren die Belastung der Netzinfrastruktur.
- Förderung der Energiewende: Mieterstrommodelle tragen zur Dezentralisierung der Energieversorgung bei.
Rechtlicher Rahmen und Förderung
Gesetzliche Grundlagen
Das Mieterstrommodell wird durch verschiedene gesetzliche Regelungen ermöglicht und gefördert. Zentral ist hier das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Rahmenbedingungen für die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien festlegt.
Der Mieterstromzuschlag
Ein wichtiges Instrument zur Förderung von Mieterstrommodellen ist der Mieterstromzuschlag. Dieser wurde 2017 eingeführt und bietet finanzielle Anreize für Betreiber von PV-Anlagen, die Strom an Mieter liefern.
Die Höhe des Mieterstromzuschlags variiert je nach Anlagengröße und Inbetriebnahmedatum. Für das Jahr 2024 gelten folgende Sätze für neue PV-Anlagen:
Diese Berechnung berücksichtigt, dass die ersten 10 kWp mit 2,62 Cent, die nächsten 30 kWp mit 2,43 Cent und die letzten 10 kWp mit 1,64 Cent pro kWh vergütet werden.
Voraussetzungen für den Mieterstromzuschlag
Um den Mieterstromzuschlag zu erhalten, müssen einige Bedingungen erfüllt sein:
- Die PV-Anlage muss auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sein.
- Der erzeugte Strom muss an Letztverbraucher im selben Quartier geliefert und dort genutzt werden.
- Die Anlage muss nach dem 25.07.2017 in Betrieb genommen worden sein.
- Die Förderung ist auf 500 Megawatt jährlich begrenzt.
Technische Aspekte und Messkonzepte
PV-Anlagen für Mieterstrom
PV-Anlagen für Mieterstrommodelle unterscheiden sich in der Regel nicht wesentlich von herkömmlichen Solaranlagen. Allerdings muss bei der Planung und Installation besonders auf die Dimensionierung geachtet werden, um eine optimale Versorgung der Mieter zu gewährleisten.
Diese Dimensionierung würde theoretisch den gesamten Strombedarf des Gebäudes decken. In der Praxis wird jedoch ein Teil des Stroms ins Netz eingespeist und zu Zeiten geringen Solarertrags Strom aus dem Netz bezogen.
Messkonzepte für Mieterstrom
Die korrekte Erfassung und Abrechnung des Stromverbrauchs ist ein zentraler Aspekt des Mieterstrommodells. In der Praxis kommen hauptsächlich drei verschiedene Messkonzepte zum Einsatz:
1. Summenzählermodell
Das Summenzählermodell ist das am häufigsten eingesetzte Messkonzept für Mieterstrom. Hierbei befinden sich alle Erzeuger und Verbraucher auf einer Sammelschiene. Der durch die PV-Anlage produzierte Strom wird durch einen Erzeugungszähler erfasst und vollständig den Mieterstromkunden zugeordnet.
Funktionsweise:
- Ein Summenzähler erfasst den gesamten Strombezug aus dem Netz.
- Individuelle Zähler messen den Verbrauch jeder Wohneinheit.
- Der Verbrauch von Nicht-Mieterstromkunden wird vom Gesamtbezug abgezogen.
- Die Differenz wird den Mieterstromkunden als Zusatzstrombezug zugerechnet.
Vorteile:
- Relativ einfache Installation und Handhabung
- Ermöglicht freie Lieferantenwahl mit geringem Aufwand
Nachteile:
- Keine exakte Zuordnung des lokal erzeugten Stroms zu einzelnen Verbrauchern
2. Summenzählermodell mit intelligenten Messsystemen
Eine Weiterentwicklung des klassischen Summenzählermodells ist der Einsatz von Smart Metern (intelligenten Stromzählern). Diese führen jede Viertelstunde eine Messung und Verrechnung durch, wodurch eine deutlich präzisere Erfassung des Stromverbrauchs möglich wird.
Funktionsweise:
- Smart Meter erfassen den Verbrauch jeder Wohneinheit in 15-Minuten-Intervallen.
- Ein zentraler Datenhub sammelt und verarbeitet die Verbrauchsdaten.
- Die Erzeugung der PV-Anlage wird ebenfalls in 15-Minuten-Intervallen gemessen.
- Ein Algorithmus ordnet den erzeugten Strom den Verbrauchern zu.
Vorteile:
- Sehr genaue Verbrauchserfassung und Zuordnung
- Ermöglicht detaillierte Analysen und optimierte Lastverteilung
- Bietet Transparenz für Verbraucher durch Echtzeit-Daten
Nachteile:
- Höhere Investitionskosten für die Messtechnik
- Komplexere Datenverarbeitung und -verwaltung
3. Modell der doppelten Sammelschiene
Bei diesem Modell werden die Mieterstromkunden physikalisch von den übrigen Stromkunden getrennt. Neben der vorhandenen Sammelschiene wird eine zweite installiert.
Funktionsweise:
- Mieterstromkunden werden an eine separate Sammelschiene angeschlossen.
- Die PV-Anlage speist direkt in diese Sammelschiene ein.
- Ein Übergabezähler misst den Austausch mit dem öffentlichen Netz.
Vorteile:
- Klare physikalische Trennung zwischen Mieterstrom und Netzstrom
- Vereinfachte Abrechnung
Nachteile:
- Hoher Installationsaufwand, insbesondere bei Bestandsgebäuden
- Aufwendige Umschaltung bei Lieferantenwechse
Die Wahl des geeigneten Messkonzepts hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Gebäudestruktur, der Anzahl der Mietparteien und den vorhandenen technischen Möglichkeiten. In der Praxis hat sich das Summenzählermodell, insbesondere in Kombination mit Smart Metern, als besonders praktikabel erwiesen.
Umsetzung eines Mieterstrommodells mit PV-Anlagen
Planung und Vorbereitung
Die erfolgreiche Umsetzung eines Mieterstrommodells erfordert eine sorgfältige Planung. Folgende Schritte sind dabei zu berücksichtigen:
- Analyse des Gebäudes: Zunächst muss geprüft werden, ob das Gebäude für die Installation einer PV-Anlage geeignet ist. Dabei spielen Faktoren wie Dachfläche, Ausrichtung und Statik eine wichtige Rolle.
- Ermittlung des Strombedarfs: Der Strombedarf der Mieter muss genau analysiert werden, um die PV-Anlage optimal dimensionieren zu können.
- Wirtschaftlichkeitsberechnung: Eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse hilft, die Rentabilität des Projekts zu bewerten.
- Rechtliche Prüfung: Es muss sichergestellt werden, dass alle rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung des Mieterstrommodells erfüllt sind.
- Auswahl des Messkonzepts: Basierend auf den spezifischen Gegebenheiten des Gebäudes und den Anforderungen der Mieter muss ein geeignetes Messkonzept gewählt werden.
Installation und Inbetriebnahme
Nach Abschluss der Planungsphase folgt die praktische Umsetzung:
- Installation der PV-Anlage: Die Solarmodule werden auf dem Dach montiert und mit den erforderlichen Wechselrichtern und Sicherheitseinrichtungen verbunden.
- Einrichtung des Messkonzepts: Je nach gewähltem Modell werden die entsprechenden Zähler und ggf. Smart Meter installiert.
- Anschluss an das Hausnetz: Die PV-Anlage wird mit dem internen Stromnetz des Gebäudes verbunden.
- Netzanschluss: Die Anlage wird an das öffentliche Stromnetz angeschlossen, um überschüssigen Strom einspeisen und bei Bedarf Strom beziehen zu können.
- Inbetriebnahme und Tests: Nach der Installation werden umfangreiche Tests durchgeführt, um die korrekte Funktion aller Komponenten sicherzustellen.
Betrieb und Wartung
Der laufende Betrieb eines Mieterstrommodells erfordert regelmäßige Wartung und Überwachung:
- Monitoring: Die Leistung der PV-Anlage sollte kontinuierlich überwacht werden, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen.
- Wartung der PV-Anlage: Regelmäßige Inspektionen und Reinigungen der Solarmodule sind notwendig, um eine optimale Leistung zu gewährleisten.
- Abrechnung: Die Stromverbräuche der Mieter müssen regelmäßig erfasst und abgerechnet werden.
- Kundenservice: Ein zuverlässiger Kundenservice für die Mieter ist wichtig, um Fragen und Probleme schnell klären zu können.
- Anpassungen: Bei Änderungen in der Mieterstruktur oder des Strombedarfs müssen ggf. Anpassungen am System vorgenommen werden.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Trotz der vielen Vorteile gibt es auch einige Herausforderungen bei der Umsetzung von Mieterstrommodellen mit PV-Anlagen:
Komplexität der Abrechnung
Die Abrechnung von Mieterstrom kann aufgrund der verschiedenen Stromquellen (PV-Anlage und Netzstrom) und der unterschiedlichen Tarife komplex sein.
Lösungsansatz: Der Einsatz spezialisierter Abrechnungssoftware und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Dienstleistern können die Abrechnung vereinfachen und Fehler minimieren.
Akzeptanz bei Mietern
Nicht alle Mieter sind möglicherweise von Anfang an von den Vorteilen des Mieterstrommodells überzeugt.
Lösungsansatz: Eine umfassende Informationskampagne und transparente Kommunikation können dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz zu erhöhen.
Technische Herausforderungen
Die Integration einer PV-Anlage in ein bestehendes Gebäude kann technisch anspruchsvoll sein, insbesondere bei älteren Immobilien.
Lösungsansatz: Eine sorgfältige Planung und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachfirmen können helfen, technische Hürden zu überwinden.
Rechtliche Unsicherheiten
Das rechtliche Umfeld für Mieterstrommodelle ist komplex und unterliegt ständigen Veränderungen.
Lösungsansatz: Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Rechtsberatern und die regelmäßige Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind unerlässlich.
Zukunftsperspektiven und Trends
Das Mieterstrommodell mit PV-Anlagen hat großes Potenzial für die Zukunft der dezentralen Energieversorgung. Einige wichtige Trends und Entwicklungen sind:
Integration von Speichertechnologien
Die Kombination von PV-Anlagen mit Batteriespeichern kann die Effizienz von Mieterstrommodellen weiter erhöhen. Dadurch kann überschüssiger Solarstrom gespeichert und in Zeiten geringer Sonneneinstrahlung genutzt werden.
Sektorenkopplung
Die Verknüpfung von Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor bietet neue Möglichkeiten für Mieterstrommodelle. So könnte beispielsweise überschüssiger Solarstrom für die Warmwasserbereitung oder das Laden von Elektrofahrzeugen genutzt werden.
Digitalisierung und Smart Home
Die zunehmende Digitalisierung und der Einsatz von Smart-Home-Technologien ermöglichen eine bessere Steuerung und Optimierung des Energieverbrauchs in Mieterstrommodellen.
Quartierslösungen
Die Ausweitung von Mieterstrommodellen auf ganze Quartiere könnte die Effizienz weiter steigern und neue Möglichkeiten für den lokalen Energieaustausch eröffnen.
Fazit
Das Mieterstrommodell mit PV-Anlagen stellt eine vielversprechende Lösung für die dezentrale Stromversorgung in Mehrfamilienhäusern dar. Es bietet Vorteile für Mieter, Vermieter und die Umwelt gleichermaßen. Trotz einiger Herausforderungen bei der Umsetzung überwiegen die Chancen deutlich.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung der technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen wird dazu beitragen, dass Mieterstrommodelle in Zukunft noch attraktiver und einfacher umzusetzen sein werden. Für Immobilienbesitzer und Energieversorger bietet sich hier die Möglichkeit, eine Vorreiterrolle in der Energiewende einzunehmen und gleichzeitig von den wirtschaftlichen Vorteilen zu profitieren.
Letztendlich leistet jedes erfolgreich umgesetzte Mieterstrommodell einen wichtigen Beitrag zur Dezentralisierung der Energieversorgung und zur Erreichung der Klimaschutzziele. Es ist zu erwarten, dass diese innovative Form der Stromversorgung in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und einen festen Platz in der Energielandschaft einnehmen wird.